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Story

Was Pizza Rezepte mit künstlicher Intelligenz zu tun haben

Ein Gespräch mit Data Scientist Kevin Kuhn

Artificial Intelligence (AI) verändert den Tourismus. Dank künstlicher Intelligenz sind intelligente Suchprozesse, personalisierte Gästekommunikation oder automatisierte Kundensegmentierung bereits heute Realität. Der richtige Einsatz von Daten & AI wird zu einem der wichtigsten Skills in der Schaffung von bedeutsamen Gästeerlebnissen und zu einem zentralen Erfolgsfaktor für touristische Unternehmen.

Gemeinsam mit Kevin Kuhn, Data Scientist, Erlebniswissenschaftler und Dozent, haben wir uns daher die Themen Daten & AI mit Blick auf den Schweizer Tourismus etwas genauer angeschaut.


In diesem Ersten von zwei Teilen unserer Story mit Kevin erfährst du:

  • was Daten & künstliche Intelligenz für die Tourismus Branche bedeuten
  • was touristische Unternehmen beim Thema Daten & AI beachten sollten
  • was die Zukunft im Bereich Daten & AI bringen wird
  • was Pizza Rezepte mit künstlicher Intelligenz zu tun haben

Lieber Kevin, als Data Scientist beschäftigst du dich schon seit Jahren mit dem Thema Daten. Welche Relevanz haben sie aus deiner Sicht für den Tourismus?

Wir alle hinterlassen in unserem Alltag überall digitale Datenspuren. Egal ob wir über Whatsapp chatten oder eine Transaktion mit der Kreditkarte abwickeln. Lange Zeit wurden Daten als eine Art Abfallprodukt oder notwendiges Übel gesehen, welche im Daily Business anfallen. Diese Zeiten sind vorbei. Mittlerweile haben Unternehmen erkannt, dass in diesen Daten grosses Potenzial steckt.

Gerade wenn wir reisen, entstehen besonders viele Datenpunkte. Von der Planung meiner Reise, über Aktivitäten vor Ort bis hin zur Rückreise gibt es unzählige digitale Touchpoints. Diese Ausgangslage bietet aus Datensicht natürlich sehr viel Potenzial um Daten zu erfassen, aufzubereiten und für Optimierungen entlang der Guest Journey zu nutzen.

Im Moment ist es in vielen Destinationen leider noch so, dass die verschiedenen Touchpoints und Systeme isoliert voneinander funktionieren und die daraus entstehenden Daten nicht kombiniert werden können. Das Hotel hat die Übernachtungsdaten, das Restaurant weiss, was zum Mittagessen am meisten gegessen wird und die Bergbahnen besitzen die Daten über Ski Ticket Verkäufe. Diese Daten können genutzt werden, um bessere Gästeerlebnisse zu schaffen. Je reichhaltiger die Datengrundlage, desto höher das Potenzial. Das grosse Ziel im Tourismus sollte es daher sein, eine Systemlandschaft zu schaffen, welche miteinander kommunizieren kann und Daten sinnvoll anreichert.

Wo und in welcher Form entstehen diese riesigen Datenmengen?

In einem modernen Unternehmen entstehen durch den Einsatz von verschiedenen digitalen Systemen schnell unterschiedliche Daten, welche dann meist in mehreren Datenbanken oder Dateien gespeichert sind. Die meisten Daten werden dabei meist im ERP-System generiert, über das der Grossteil der Unternehmensprozesse wie Bestellungen, Logistik, Verträge etc. abgewickelt werden. Ebenfalls ein grosser Teil der personenbezogenen Daten wird über Frontends wie Apps oder die Website generiert. Diese fliessen dann meist in ein Customer Relationship Management (CRM) Systeme, welches die bisherige Kundenbeziehung widerspiegelt.

Bei der Form der Daten wird grundsätzlich zwischen strukturierten und unstrukturierten Daten unterschieden. Strukturierte Daten beinhalten Informationen wie Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Buchungsdatum oder Loyalitätsstatus – also alles, was in Spalten und Zeilen abgebildet werden kann. Diese Daten fallen vor allem in digitalen Systemen durch Anfragen, Buchungen etc. an. Strukturierte Daten, welche bereits in den Systemen der Unternehmen gespeichert sind, machen aber geschätzt nur 20 Prozent aller Daten aus (Gartner, 2018).

Die übrigen 80% der Datenmenge sind unstrukturierte Daten. Diese entstehen oft in Form von Texten, Bild-, Video und Audiodaten. Beispiele aus dem Tourismus sind: Webcam Aufzeichnungen, ein Email an den Kundensupport, Gästereviews oder hochgeladene Bilder auf Social Media. Die unstrukturierten Daten sind im Moment noch aufwendiger in der Auswertung, existieren aber bereits bei allen Unternehmen im Tourismus und bieten dadurch auch grosses Potenzial.

Welche Rolle spielt in der Welt der Daten die AI?

Artificial Intelligence ist eine Disziplin innerhalb der Computer Wissenschaft. Das Ziel dabei ist, mit Daten, Algorithmen, Modellen und Prozessen verschiedene Aufgabenstellungen zu lösen. AI ist demnach ein Tool, welches dabei hilft, strukturierte und unstrukturierte Daten zu verarbeiten.

Ich erkläre den Zusammenhang jeweils gerne mit meinem “Pizza Beispiel”. Wir beginnen mit den Zutaten bzw. den Daten als Basis. Bevor wir uns ans Kochen machen, müssen wir sicherstellen, dass die Tomaten reif sind, der Basilikum frisch ist und alle weiteren Zutaten sauber bereitliegen. Nur eine gute Qualität der Zutaten (Daten) macht eine feine Pizza möglich. Die AI umfasst in diesem Beispiel dann das benötigte Gerät wie z.B den Ofen (Algorithmus) sowie das Kochrezept (Datenmodel). Letztlich entscheiden diese drei Schritte, ob das fertige Gericht eher eine Margherita oder eine Calzone wird (Vorhersagen) und ganz wichtig: ob das Ergebnis dann auch schmeckt.



Wichtige Anmerkung dabei: Unternehmen müssen nicht zwingend künstliche Intelligenz nutzen, um einen Mehrwert aus ihren Daten zu ziehen. Daten können auch ohne AI verarbeitet und interpretiert werden. Dank dem richtigen Einsatz von AI kann aber viel mehr aus den bestehenden Daten erschaffen werden.

Ich möchte mich als touristisches Unternehmen den Themen Daten und AI annehmen. Wo beginne ich und was sollte ich beachten?

Für mich gibt es grundsätzlich zwei Ausgangspunkte, die gewählt werden können.

Die erste Variante beginnt mit dem Aufbau einer starken Datengrundlage. Diese können intern gesammelt oder von extern geliefert werden. Basierend auf den gesammelten Daten werden dann Use Cases ermittelt.

Bei der zweiten Variante ist ein Use Case der Ausgangspunkt der Überlegungen. Hier wird zuerst gefragt, welche Use Cases umgesetzt werden möchten und welchen Mehrwert man beim Endkunden stiften will. Erst in der nächsten Phase erhebt man die passenden Daten.

Bei beiden Varianten ist die Basis jedoch eine saubere und gut strukturierte Datensammlung. Das macht für mich fast 80 % der Aufgabe für die meisten Unternehmen aus. Solange nicht klar gesagt werden kann, wo die Daten liegen, was sie beinhalten und welche Qualität sie aufweisen, ist die Basis für künstliche Intelligenz nicht gegeben.

Worin siehst du als Datenwissenschaftler die Vorteile ein Customer Engagement Plattform wie der Omni Suite im Tourismus?

Die Omni Suite bietet als zentrale Plattform, einen “Single Point of Truth” in der im Hintergrund selbst generierte sowie Daten aus Drittsystemen (durch Integrationen) zusammenfliessen.

Damit wird eine Datenmaschinerie geschaffen, welches spezifisch auf Destinationen ausgerichtet ist. Daten werden darin so aggregiert und strukturiert, damit verschiedenen Interfaces und Applikationen wie eine App, eine Website, eine Data Analytics Plattform oder AI-Applikationen einfach darauf zugreifen können.

Zudem kann dank einer zeitgemässen Data Governance sichergestellt werden, dass nur qualitativ hochwertige Daten einfliessen und der Datenpool übersichtlich bleibt.

Auch die App selbst stellt einen Vorteil dar, da sie ein direkter Touchpoint mit dem Gast darstellt und somit erlaubt, personenspezifisch Daten zu sammeln. Die digitale Gästebeziehung bleibt damit bei der Destination und entsteht keine Abhängigkeit von anderen Playern im Markt. Ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für Destinationen.

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist für mich, dass mit Omni sensitive Daten mit wenigen Klicks aus dem System gelöscht werden können. Eine Lösung, welche Unternehmen hohen manuellen Aufwand erspart. Mit dem revidierten Datenschutz-Gesetz ab September 2023 erhält dieser Service natürlich nochmals einen höheren Wert.

Welches sind die typischen Herausforderungen im Umgang mit Daten & AI und wie bewältigt man diese?

Die grösste Herausforderungen im Umgang mit Daten und künstlicher Intelligenz sind für mich:

  • Mangelnde Unterstützung durchs Management: Wenn das Potenzial von der Geschäftsleitung nicht erkannt wird und die Begeisterung für Daten nicht vorgelebt wird, haben Projekte im Datenbereich einen schweren Stand. Hier ist es zentral so früh wie möglich die Wichtigkeit & den sogenannten “Added Value” verständlich aufzuzeigen.
  • Falsche oder zu hohe Erwartungen: AI wird oft als die ultimative Lösung für alle möglichen Probleme verkauft, was zu falschen Erwartungshaltungen führt. Um diese Herausforderung zu meistern, empfehle ich allen Beteiligten, ihre Erwartungen frühzeitig abzugleichen, um falsche Vorstellungen zu vermeiden.
  • Datenqualität ist nicht ausreichend oder nicht bekannt: Wie oben erwähnt, ist eine gute Datengrundlage die Basis für erfolgreiche Datenprojekte. Daher ist eine vorgängige Beurteilung der bis heute gesammelten Daten durch einen Datenspezialisten zu empfehlen.
  • Projekte werden oft zu gross angelegt: Leider starten viele Unternehmen mit gross angelegten Projekten, welche dann erst nach langer Zeit erste Resultate aufzeigen können. Mit kleineren Projekten zu starten und bald erste Quick Wins aufzuzeigen, ist in den meisten Fällen die bessere Herangehensweise.

Was bringt die Zukunft im Zusammenhang mit Daten & AI? Wie sollten sich Unternehmen aus deiner Sicht im Tourismus vorbereiten?

Die Technologie ist schon sehr weit entwickelt, die Frage für die nächsten Jahre wird sein, wer diese am besten für sich nutzt. Wichtige Punkte im Hinblick auf die Zukunft sind für mich:

  • Die Technologien rund um Daten und AI werden immer einfacher zugänglich. Es wird viele Lösungen & Tools «ab Stange» geben, die dann noch nach den eigenen Bedürfnisse angepasst werden können.
  • AI gestützte Services werden unseren Alltag immer mehr prägen, weil sie grossen Mehrwert für Unternehmen und Konsumenten bieten. Services wie Musikempfehlungen auf Spotify, die Einkaufsapps im Supermarkt oder eine AI gestützte Destinations App für den Austausch mit Gästen im Tourismus werden in Zukunft noch stärker gefragt sein.
  • Datensilos werden aufgebrochen und Systeme werden so kombiniert, damit sie miteinander kommunizieren können.
  • Durch die immer weiter wachsende Menge an Daten steigt auch die Verantwortung für Unternehmen, diese Daten korrekt und sicher zu managen. Um diese Verantwortung wahrzunehmen, benötigen Unternehmen die entsprechende technische Infrastruktur und das nötige Fachwissen.

Um sich gut auf die Zukunft vorzubereiten, schlage ich Unternehmen im Tourismus vor:

  • Eine Neugierde & ein Interesse für Daten zu entwickeln: Nur wer sich mit dem Thema beschäftigen will, kann eine Begeisterung dafür entwickeln.
  • Mit Hilfe einer Datenlandschaft einen Überblick schaffen: Eine wichtige Ausgangslage für die Zukunft wird sein, in Form einer Datenlandschaft ein Bewusstsein für die eigenen Daten und deren Qualität zu schaffen. Eine gut ausgearbeitet Data Governance ist hier zentral.
  • Die Wichtigkeit von Daten für das Unternehmen strategisch festhalten: Unternehmen sollten sich damit auseinandersetzten und entscheiden, welche Rolle Daten in der eigenen Organisation langfristig einnehmen. Dies kann dann in der Strategie festgehalten werden.
  • Ausbildung und Besetzung von neuen Rollen: Ist das Unternehmen ausreichend aufgestellt, wenn es um Skills & Fachwissen im Umgang mit Daten geht? Die Daten-Zukunft eröffnet ganz neue Berufsfelder, die besetzt werden müssen, um das Beste aus Daten rauszuholen.

Interessiert du dich dafür, wie AI im Tourismus angewendet werden kann? Im zweiten Teil unserer Story mit Kevin erfährst du, wie konkrete Anwendungsbeispiele im Tourismus aussehen können. Stay tuned!

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Über Kevin Kuhn

Als Erlebniswissenschaftler, Unternehmer und Experte für Daten & AI beschäftigt sich Kevin seit Jahren mit der Welt der Daten. Durch das Erleben von Daten und künstlicher Intelligenz möchte er Erfahrungen schaffen, welche Neues ermöglichen.

Dieses Jahr hat Kevin mit Gopf.ai sein neustes Unternehmen gegründet. Als Service Dienstleister sollen neue Wege im Umgang mit Daten aufgezeigt werden und unstrukturierte Daten in verwertbare Erkenntnisse verwandelt werden.

Kevin arbeitet zudem als Dozent an an der Hochschule Luzern und der HWZ in Zürich und unterrichtet in den Bereichen Aus-und Weiterbildung verschiedene Module rund um das Thema Daten.

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